Donnerstag, 20. August 2009

Zensursula, Demokratie, Bürgerrechte, Freiheit – alles am Arsch - oder

Eigentlich möchte ich nicht wirklich darüber nachdenke, wohin unsere Freiheit entschwindet – nur weil Politiker feststellen, dass Demokratie auch ohne Politiker gelebt werden kann (wo, ihm Internet natürlich – und deswegen muss das Internet abgeschafft? entschärft? politisiert? werden)

Aber heute fand ich wieder ein Mail – und der Mann spricht die Wahrheit aus – daher hier die Kopie:

Das Original finden Sie bei Torsten Kieslich.


Hallo, liebe Leser,

laut einer Meldung auf heise.de hat der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, eine mehr oder minder deutliche Warnung gegenüber denjenigen Internet-Nutzern geäußert, die die im Rahmen des Zugangserschwernisgesetzes eingerichteten Stoppschilder im Internet umgehen würden.


"Die bewusste Umgehung des Stopp-Schildes ist für den, der es macht, nicht ohne Risiko", wird der Chef der Wiesbadener Polizeibehörde zitiert.


Da nun aber alle Anwender wüssten, dass sie sich ab dem Stoppschild strafbar machen, sei es auch logisch, dass jede Umgehung des Stopp-Schildes eventuell bei späteren strafrechtlichen Ermittlungen festgestellt und damit der Vorsatz des Besitzverschaffens von Kinderpornos nachweisbar werden könne.

Also, Moment, was sagt der Herr Ziercke da? Das Umgehen das Stoppschildes könnte im Rahmen von Ermittlungen dazu führen, dass mir als Nutzer unterstellt wird, ich habe mir vorsätzlich Kinderpornographie verschaffen wollen?


Werfen wir dazu noch einmal rasch eine Blick auf die ach so komplexe Umgehung des Stoppschildes: Die gelingt beispielsweise, wenn Sie, was – nach heutigem Stand der Rechtslage, muss man wohl sagen – absolut legal ist, einen anderen DNS-Server in Ihren Systemeinstellungen festgelegt haben (vgl. auch den Beitrag Anti-Zensur-DNS-Server des FoeBuD).


Nehmen wir also an, ich habe, aus welchen Gründen auch immer, einen mir genehmen DNS-Server ausgewählt und surfe fröhlich umher. Irgendwann klingelt dann der Herr BKA bei mir und unterstellt mir, ich habe mir Kinderpornographie verschaffen wollen, weil ich sein Stoppschild „umgefahren“ habe? Ein Schild, das ich im Zweifelsfall gar nicht zu sehen bekomme?


Nun gut, man kann diese Aussage von Herrn Ziercke als das in diesen Tagen übliche „auf den Busch“ klopfen werten. Aber wir können diesen Gedanken auch mal einen Augenblick ernst nehmen und uns fragen, was denn wohl getan wird, um ein solches Verbot durchzusetzen. Und plötzlich springt ein kleiner Bosbach hinter einem Busch hervor und wedelt mit dem frisch erfundenen Internetausweis, mit dem sich dann jeder Internetnutzer problemlos verfolgen lässt.


Nein, keine Angst, das soll jetzt keine Verschwörungstheorie werden, dazu sind die beteiligten Personen auch zu wenig schillernd. Es ist mehr ein Hinweis auf die Bereitschaft der in diesem Stück Auftretenden, völlig problemfrei Grundrechte in Frage zu stellen und Bürger am Stück zu kriminalisieren.


Natürlich aber, so stellt Ziercke klar, würde die Sperrliste nur kinderpornographische Links enthalten:

"Keinesfalls werden beliebige Inhalte gesperrt", betonte der Ordnungshüter. Damit würde das BKA sich selbst eventuell strafbar machen und haftungsrechtlichen Konsequenzen aussetzen. "So blöd sind wir nun auch nicht." Die Liste enthalte "ausschließlich Seiten mit eindeutig kinderpornographischem Material".

Die längst immer lauter werdenden Forderungen, auch andere unliebsame Seiten zu sperren, scheint noch nicht bis zu ihm gedrungen zu sein. Oder sie sind für ihn nicht relevant. Das Nachdenken über die Folgen solcher Forderungen stört ja auch.

Und damit es auch jeder so richtig gut versteht, wie das mit dem Sperren so ist, bemüßigt Ziercke, so heise.de, ein Beispiel:

„Ebenso wenig wäre es erlaubt, kinderpornographische Schriften in einer Buchhandlung käuflich zu erwerben. Auch da würde die Polizei "sofort einschreiten". Dass die Beamten in einem solchen Fall nur eine Kaufwarnung aufstellen würden als Pendant zu den im Raum stehenden Stopp-Schildern, behauptete Ziercke freilich nicht.“

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass dem Herrn Ziercke schlicht das Grundverständnis für den Unterschied zwischen Sperren und Löschen fehlt. Oder er war gerade im Urlaub, als verschiedene Organisationen zeigten, wie das denn wohl gehen könnte.

Nö, war er aber nicht. Stattdessen war er aber wohl in einem Vernebelungsseminar, denn sonst ist kaum noch zu erklären, wieso, entgegen gängigen Daten und fachkundigen Beobachtungen von ihm eine Aussage kommt, die uns wieder einmal erklärt, dass sich Kinderpornographie anscheinend zum aller-aller-allergrößten Teil im Ausland befindet. Und dieses ganz furchtbar ausländische Ausland ist so ausländisch, dass man da noch nicht mal Kinderpornographie verfolgt.

Und überhaupt ist das mit dem Löschen nämlich gar nicht so einfach. Weil, so heise.de, „beim BKA handle es sich um eine Vollzugsbehörde, die "nach den Regeln vorgehen" müsse.“

"Ich kann nicht in Togo, Sierra Leone, China oder Iran einfach anrufen lassen und ein Löschen beantragen." Das funktioniere nicht "und ist uns nicht erlaubt". Insgesamt gebe es 30 bis 40 "Failed States", wo erfahrungsgemäß "nichts passiere" und Kinderpornographie nicht geächtet sei. Eine "öffentliche Ordnung und Durchsetzung des Rechts" finde dort nicht statt.

Ähhh, wo genau ist das jetzt? Togo? Sierra Leone? China? Iran? Da kommt die Kinderpornographie in Deutschland her? Und warum sollen dann so viele Server in Deutschland und in befreundeten Staaten stehen?

Leider ist aber Herr Ziercke kein Einzelfall. Auch Zensursula selbst glänzte mit perfekt vorgebrachter Demagogie auf einer Wahlkampfveranstaltung in Sulzbach (Saar) und nutzte die beliebte Technik, einerseits längst bekannte Begründungen zu trommeln und anderseits diejenigen ins Unrecht zu setzen, die Kritik üben.

Fernab jeder Sachkenntnis verkündete sie einmal mehr, dass Kindesmissbrauch hierzulande "vollkommen frei" anklickbar wäre und der deutschen Polizei bei ausländischen Servern die Hände gebunden wären. Auch hier wiederholt sie das Mantra, dass man „diese Bilder da löschen [muss], wo die Quelle ist. Wo der Server ist. Aber weltweit stehen die zum Teil in Ländern, die Kinderpornographie nicht ächten.“

Was in diesem Zusammenhang die Formulierung „zum Teil“ in Zahlen bedeutet, führte sie nicht aus.

Natürlich fehlte in ihrer Rede der Hinweis auf die Möglichkeit, einem Großteil der Bilder löschen lassen zu können. Auch von der Verhinderung der Grundlage, einem verbesserten Schutz der Kinder vor Vergewaltigung, war nicht die Rede. Nur noch einmal zur Erinnerung: Auch wenn ich eine Seite sperre, wurde das Kind bereits missbraucht. Ich kann es nur nicht mehr sehen. Aber dann muss ich mich auch nicht mehr drüber aufregen ...

Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass ich die falsche Perspektive habe. Et Uschi klärt uns allerdings auf:

„Meine Damen und Herren, wir sollten nicht den Eindruck vermitteln, unsere Verfassung würde die Verbreitung der Vergewaltigung von Kindern Schutz geben.“

Tja, und ich dachte immer, es ginge nicht um den Eindruck, den man macht (wo eigentlich? Bei Omi? Bei den Nachbarn?), sondern um das, was man tut. Und wenn schon, dann wäre es mir viel lieber, wir würden nicht den Eindruck vermitteln, unsere Regierung würde der Vergewaltigung von Kindern Schutz geben, etwa durch einen furchtbaren Aufwand, der für eine Zensur-Infrastruktur verpulvert wird.

Und nachdem wir von Herrn Bosbach, Herrn Ziercke, Herrn Guttenberg, Herrn Wendt und von Uschi selbst gelernt haben, wie böse das Internet ist und wie furchtbar rechtsfrei da alles ist und dass wir so gar keine Gesetze haben, die da gelten und überhaupt dort an jeder Ecke Kriminelle lauern, da sagt uns Uschi nun:

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und das Recht gilt online genauso wie offline. Was wir niemals in einer Zeitung tolerieren würden, tolerieren wir im Internet genau so wenig.“ Ja nee, is klar ... Kann ihr mal jemand erklären, dass wir dafür schon Gesetze haben? Und dass wir die auch im Internet durchsetzen können? Oder stehen bei Uschi vor’m Kiosk auch Stoppschilder rum?

Aber ich möchte nicht nur meckern, denn et Uschi hat auch eine ungeheure Einsicht gezeigt (auch wenn sie das wohl anders gemeint haben wird):

„Meine Damen und Herren, hier ist der Schlüsselbegriff, auch wenns ungemütlich wird, Verantwortung. Wir werden eines Tages nicht nur gefragt nach dem, was wir getan haben, sondern auch nach dem, was wir vielleicht nicht getan haben. Wo wir gekniffen haben. Wo wir uns geduckt haben, nur weils anstrengend wird. Hier muss man dann auch Farbe bekennen.“

Tja, und bald ist’s September...

Dieses Editorial finden Sie natürlich wieder zum Kommentieren auf kieslichdaily.de (Link siehe unten). Außerdem gibt es dort natürlich auch noch andere Artikel, heute etwa den Beitrag „Spielkompetenz auf der gamescom“.

Mit kriminellem Gruß



Torsten Kieslich, Chefredakteur


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